Dienstag, 23. April 2024 - 21:09 Uhr

Der Bierkrieg von 1488

Der Bierkrieg in der Altmark im Jahre 1488
von Günter Schröder

Im Mittelalter war Bier in der Mark Brandenburg das tägliche Hauptgetränk für breite Bevölkerungsschichten und galt als Grundnahrungsmittel.

Bedeutende Braustandorte in der Altmark waren:
Gardelegen – Garley-Bier
Salzwedel – Soltmann
Tangermünde – Kuhschwanz-Bier
Stendal – Taubentanz
Auch Kalbe/M, Seehausen, Werben und andere Orte hatten bedeutende Brauereien.
Außerdem gab es in vielen Dörfern kleinere Brauereien. In den Klöstern und Rittersitzen wurde eigenes Bier gebraut.

In Apenburg weist das „Handbuch vom Regierungsbezirke Magdeburg“ 1842 noch zwei Brauereien aus. Das große Kellergewölbe an der Straße nach Beetzendorf diente der Kalbenser Brauerei als Vorratsraum für Eis, das man im Winter aus der Purnitz gewann.

Gardelegen entwickelte sich im Mittelalter zu einem der bedeutendsten Braustandorte in der Altmark. Die Exporte des Garley-Biers machte die Brauer zur mächtigsten und reichsten Gilde. Die Stadt wurde durch die Steuern aus dem Braugewerbe zu einer der bedeutendsten Hansestädte im Norden Deutschlands. Noch heute findet man im Untergrund der Stadt zahlreiche alte Gewölbe, in denen früher Bier gelagert wurde. Der eigentliche „Bierboom“ begann in Gardelegen aber erst nach den hier geschilderten Ereignissen, als man ein Bier mit Kräutern erfand, das als Lebens- und Liebeselixier galt und in viele Länder exportiert wurde.

Im 15. Jahrhundert beherrschten die Hohenzollern die Kurmark Brandenburg. Im Jahre1415 belehnte Sigismund, Sohn Karls des IV., als römisch-deutscher Kaiser Friedrich I. mit der Kurmark Brandenburg. Ihm folgten 1440 Friedrich II. und 1471 bis 1481 Kurfürst Albrecht als Herrscher über die Mark. Albrecht verlegte seinen Regierungssitz aus der Altmark nach Berlin, wo er mit großem Aufwand ein Schloss errichten ließ. Dabei hatte er sich aber finanziell so übernommen, dass sein Sohn Johann (Cicero), der ihm 1486 im Amt folgte, in arge Geldnot geriet.
Johann, ohnehin bereits mit dem Vorwurf der Verschwendung bedacht, suchte nach Möglichkeiten, seine prekäre Lage zu ändern.
Am 9. Februar 1488 bekam er von den Prälaten, der Ritterschaft und den Ständen mehrheitlich
das Zugeständnis, eine Biersteuer zu erheben. 12 Pfennige je Tonne sollten als indirekte
Verbrauchssteuer – Bierziese – auf die Dauer von sieben Jahren erhoben werden. Als
Kompromiss handelten die Stände aus, dass der Kurfürst 8 Pfennige und die Städte 4 Pfennige
je Tonne (112,5 Liter) erhalten sollten. Ritter und Klöster wurden von der Abgabe befreit, sofern sie für den Eigenbedarf brauten.

(Zu Beginn des 15. Jahrhunderts kostete eine Tonne Bier etwa 4 Schilling, wobei ein Schilling 12 Pfennigen entsprach. Der Tagesverdienst eines Handwerkers lag bei 1 bis 3 Pfennigen. Für einen Pfennig konnte er sich 6 halbe Bier kaufen.)
Der Erlass des Kurfürsten war so angelegt, dass der Verbraucher, der Biertrinker, bezahlen sollte: „das dieselb Minderung der gemein man und der das bir trinkt tregt und nicht derjenige, der das bir brauet oder der das verkauft“. Unter Friedrich II. und Albrecht war eine solche Abgabe vom Landtag noch abgelehnt worden.
Obwohl der Landtag dem Vorhaben des KurfürstenJohann mehrheitlich zustimmte, regte sich in den altmärkischen Städten der Widerstand. Die stolzen und mächtigen Hansestädte fürchteten den Verlust von Privilegien und weigerten sich, die Abgabe zu zahlen. Wo die Räte noch uneinig waren, wie in Stendal, mussten sie mit ihren Familien vor der aufgebrachten Menge aus der Stadt flüchten.

Die Wut der aufgebrachten Stadtbevölkerung wegen der Verteuerung ihres täglichen Trunkes richtete sich gegen die Bürgerschaft und den Adel. Die Räte wurden gezwungen, ihre Zustimmung zu dem Erlass zurück zu nehmen. Die Revolte der Handwerker führte in der Umgebung Stendals zur Plünderung adliger Güter. Die von Borstel und von Gohre wurde von der wütenden Menge hingerichtet.

Kurfürst Johann zögerte nicht lange und sammelte seine Gefolgsleute zum Kampf. Er ging rücksichtslos mit seinen Rittern gegen die Aufständischen vor. Am 25. März 1488 musste ihm Tangermünde Gehorsam geloben. Mit verstärkter Truppe rückte Johann gegen Stendal vor, das Zentrum des Aufstandes. Er ließ drei Rädelsführer mit dem Schwert hinrichten. Danach wandte sich der Kurfürst gegen Osterburg und Salzwedel, wo ebenfalls zwei Aufständische enthauptet wurden. Es folgten Seehausen und Werben.

Anfang Mai 1488 erreichte Johann mit seinen Truppen schließlich Gardelegen. Auch dort wurden zwei oder drei vom Rat angegebene Aufrührer hingerichtet. Der Rat musste am 6. Mai seinen Ungehorsam eingestehen.

Kurfürst Johann nahm an den altmärkischen Städten Rache. Sie mussten aus der Hanse austreten und auf bedeutende Privilegien verzichten (Gerichtsbarkeit, Münzrecht, Heeresfolge,…). Die Bierziese wurde verdoppelt und auf vierzehn Jahre verlängert. Der Herrscher behielt sich die Bestätigung neuer Räte vor. Außerdem mussten die Städte Strafen zahlen, z.B. Gardelegen 15000 Rhein. Gulden.

Die Altmark verlor nach 1488 ihren Status als Zentrum des Kurfürstentums, weil die Residenz nach Berlin verlegt wurde.


Literatur:

Johannes Schulze: „Die Mark Brandenburg“, 2. Teil, 2. Auflage, Berlin 1961/1889
Herbert Becker: „Gardelegen, Tausend Jahre einer Stadt“, Erfurt 2011
David Bauke: Mittheilungen über die Stadt und den Landräthlichen Kreis Gardelegen“, Stendal 1832
Heinrich Chr. Steinhart: „Über die Altmark“ 2. Teil, Stendal 1802
Christoph Entzelt: „Chronicon … der alten Marck“, Magdeburg 1579
Wilhelm Zahn: „Geschichte der Altmark“, Stendal 1892
Hermes/Weigelt: „Handbuch vom Regierungsbezirke Magdeburg“ 2. Teil, Magdeburg 1842
Bilder: Wikipedia, gemeinfrei

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