Chronik von Schwiesau

Schwiesaus Einwohnerzahlen: 1937 = 498, 1947 = 737, 1973 = 500, 2000 = 420

Auch der bescheidene Wohlstand der Schwiesauer ging in der ersten Hälfte des 20. Jahr-hunderts verloren. Die Inflation (1919/23) läßt statt der Goldmark Schuhkartons wertloser Geldscheine bedruckt mit astronomischen Zahlen zurück, die hier und da noch zu finden sind. Nach der Währungsreform 1948 ist fast das ganze Spargeld der Leute wieder wertlos.

Am Freitag, dem 13. April 1945, rücken die Amerikaner mit Panzern in Schwiesau ein. Sie kommen von Breitenfeld. Ein deutscher Soldat wird erschossen. Er findet auf dem Friedhof seine letzte Ruhe. Frau Toni Wiesel pflegte lange das Grab, auf dem ein Holzkreuz mit Stahlhelm stand. In Richtung Zichtau kommt es zu Gefechtshandlungen. Die Amerikaner werden später von englischen Besatzungstruppen abgelöst, die aber die Schwiesauer kaum zu sehen bekommen.

Am 2. Juli 1945 sind die Russen im Dorf. Sie werden unser Land erst nach 45 Jahren verlassen. Sie holen 8 Männer von der Feldarbeit fort. Die können sich nicht von ihren Familien verabschieden, haben nichts als ihre Arbeitskleidung. Die Familien bleiben ohne Nachricht. Nicht alle sehen ihr Heimatdorf wieder. Der Müller Walter Lenz stirbt 1948 in Buchenwald.

Am 5. Juli 1945 fordert der vergangene Krieg noch einmal Opfer. Auf dem Kartoffelacker am Steinberg stirbt bei Feldarbeiten durch die Explosion einer kleinen Splitterbombe (Fundmunition) der knapp 55 Jahre alte Bauer Otto Schulze vom Dorfplatz. Er hinterläßt seine Frau und vier Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren. Die bei diesem Unfall schwer-verletzte 18 jährige Käthe Rattmann aus Geldern stirbt einen Tag später im Salzwedler Krankenhaus.

Im Sommer 1945 wird Herr Müller auf dem Neubau, einem Vorwerk des Ritterguts Zichtau am Schwiesauer Stadtweg von einem Russen erschossen. Er war Vater von 8 Kinder. Auf dem Neubau war Alkohol aus der Gutsbrennerei gelagert. Wenig später geht das Vorwerk in Flammen auf und ist seitdem wüst. Anfang Dezember 1946 wird die Familie Zernicke in Eigentum nachts auf ihrem einsamen Hof von russischen Reitersoldaten überfallen. Vier Menschen werden erschossen, einer wird schwer verletzt.

Schwiesaus Bevölkerung wächst trotz der Kriegsverluste. Im letzten Jahr des Krieges kommen Flüchtlinge aus den zerbombten Städten und dann die Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten, aus Ostpreußen, Schlesien und dem Sudetenland. 1946 hat die Gemeinde 724 Einwohner, 1947 sind es 737. 1948 hat die Schwiesauer Dorfschule 133 Kinder, 61 von ihnen sind Kinder von Evakuierten, wie die Flüchtlinge und Vertriebenen damals genannt werden. Das schafft in einem Dorf mit etwas über 100 zum Teil recht kleinen und alten Häusern ganz große Probleme.

Für die Kinder werden sie ein wenig gemildert durch die Einrichtung eines Kindergartens am 23. April 1946 und durch die reformierte Dorfschule. Sie verbessert mit ihren Unterricht besonders in Mathematik und den Naturwissenschaften die Bildung erheblich. In den überfüllten Klassen herrschen Lerneifer und Disziplin. Die Schulspeisung, die bald durch Spenden der Bauern möglich wird und die zuerst nur aus einem Butter- oder Wurstbrötchen besteht, ist ein gutes Werk vor allem für die immer hungrigen Flüchtlingskinder. Die meisten Flüchtlinge sind nach und nach wieder fortgezogen. Heute leben 420 Menschen im Heimatdorf.

 

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