Die Feldsteinkirche von Gagel
Von Paul Meitz, Binde im August 1998
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Die Gageler Feldsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert / Umbau im 18. und 19.
Jahrhundert / Über Ablaß ist nichts überliefert
Wuchtiger Opferstock vor Langfingern gut gesichert
Gagel. Die Gageler Feldsteinkirche gehört zu den Wehrkirchen, die Anfang
des 13. Jahrhunderts in vielen Dörfern der Altmark entstanden. Ein mächtiger
Wehrturm, der schützend vor Schiff und Chor steht, zeugt noch immer von
ihrer Wehrhaftigkeit. Auch diese Feldsteinkirche war im laufe der Jahrhunderte
vielen Veränderungen unterworfen. Im 18. Jahrhundert wurden ihre kleinen
Wehrfenster durch größere ersetzt. Ende des 19. Jahrhunderts bekam
der Turm sein heutiges Grlockengeschoß aus Backstein. Nur wann die Chorpforte
und das Portal im Schiff mit Feldsteinen zugemauert wurden, ist nicht überliefert.
So betritt man die Kirche heute durch den Turmeingang. Dadurch fällt auch
der Blick zuerst auf den schlichten Altar und seinen Aufsatz: ein recht großes
Gemälde, das den gekreuzigten Christus zeigt.
Das schlichte Kirchengestühl weist durch seine breiteren Sitzflächen
auf eine Entstehung im 19. Jahrhundert hin. Die eindrucksvolle aber schlichte
Kanzel entstand dagegen schon 1706.
Kräftige Beschläge verhindern Zugriff
Spätestens jetzt entdeckt man auch einen großen, rechteckigen
Holzklotz, der im Durchgang vom Schiff zum Chor steht. Handgeschmiedete Beschläge
verhindern ein Auseinanderbrechen dieses, aus einem Eichenstamm entstandenen Blockes.
Auf den ersten Blick erinnert er dabei an einen Hackklotz. Doch dagegen spricht
eine kleine, eingearbeitete Tür, die mit kräftigen Beschlägen und
einem Überwurf für ein Vorhängeschloß versehen, dem großen
Block etwas Geheimnisvolles verleiht. Es ist ein Opferstock, datiert auf den Beginn
des 16. Jahrhunderts. Ein Behälter, der die freiwilligen Geldspenden der
Gemeindeglieder aufnahm.
Ein leichtes Schmunzeln erweckt dabei aber der starke Überwurf für ein
Vorhängeschloß. Liefert diese Verschlußvorrichtung doch den Beweis,
daß der unerlaubte Griff in die Ladenkasse keine Erscheinung der Neuzeit
ist.
Ob es für den Griff in einen Opferstock auch einen Ablaß gab, ist leider
nicht überliefert. Der Ablaß, in der katholischen Kirche seit dem 6.
Jahrhundert als Kirchenbuße bekannt, wurde im 11. Jahrhundert ausgedehnt
und erreichte unter dem Dominikaner Johann Tetzel, der als Ablaßprediger
in die Geschichte einging, Anfang des 16. Jahrhunderts seinen Höhepunkt.
Der dabei von Tetzel vertretene Satz: Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele
aus dem Fegefeuer in den Himmel springt", wurde zum geflügelten Wort
und war sicher die unwürdigste Art der Ablaßverkündung. Nach dieser
Auslegung konnte sich jeder, der Geld hatte, von allen Sünden freikaufen,
während dem Armen nur das Fegefeuer blieb.
Martin Luther protestierte mit seinen Thesen an der Schloßkirche zu Wittenberg
auch gegen diese Art des Ablasses. Da die Einnahmen aber für den Neubau der
Peterskirche in Rom bestimmt waren, brachte ihm dieser Protest nur eine Aufforderung
zum Widerruf, die Exkommunizierung durch den Papst und die Reichsacht durch Kaiser
Karl V. ein.
An dieser Stelle möchte ich alle Besucher dieser
Seiten ansprechen, die wie ich in unserer Kirche ein einzigartiges Architekturdenkmal
sehen. Dieses schöne Bauwerk, welches mit einer enormen Bauleistung durch unsere
Vorfahren geschaffen wurde, sollte unbedingt auch den nachfolgenden Generationen
erhalten bleiben. Viele Feldsteinkirchen der Altmark befinden sich in akuter
Baunot. Damit diese Bauwerke eine Zukunft haben, sollte man sie nicht ausschließlich
mit Glauben und Religion in Verbindung bringen.
Dieses Denkmal steckt voller Geschichte und bereichert so auf besondere Weise
unser Dorfleben. Die Einbeziehung in Geschichtsvorträgen und Führungen, wie
es ja schon in den Großstädten praktiziert wird, würde es noch stärker in das
kulturelle Leben aller Bürger rücken lassen.
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Andreas
Schwieger, Apenburg>