Günter Schröder: Apenburger Kirchengeschichte – Apenburger Pfarrer (6)

Kirchenvisitationen (= prüfende Besichtigungen)

gehörten in den vergangenen Jahrhunderten zu den bei den Pfarrern unbeliebten Aktionen der oberen Kirchenleitungen. Sie wurden etwa im Abstand von vier Jahren durchgeführt, fielen aber auch öfter mal aus.

Solche Visitationen stellten sowohl eine Überprüfung der Arbeit des Pfarrers als auch des Zustandes der Kirchengemeinde dar. So mussten die Pfarrer die schriftliche Vorbereitung einer Predigt vorlegen und mehr als 50 Fragen zur Kirche und der Kirchengemeinde schriftlich beantworten.

Junge, frisch eingesetzte Pfarrer waren meist kritischer in ihren Bewertungen. Das führte auch schon mal zu Verstimmungen mit der Gemeinde.

1849 schrieb Pfarrer Dr. Stüber z.B. über den sittlichen Zustand der Gemeinde, dass der Sonntag öfter durch Feldarbeit entweiht würde. Über das Maß und die Dauer öffentlicher Lustbarkeiten schrieb er: „In Groß Apenburg wird 5 bis 8 mal jährlich und häufig bis zum hellen Morgen getanzt.“ In Recklingen und Klein Apenburg wurde weniger und dann nur bis Mitternacht gefeiert. 1853 bemängelte er sogar 12 öffentliche Lustbarkeiten bis zum Morgen.

Die Notiz in den Konsistorialakten über das Gesuch des Ortsvorstehers TeggeZur Armut schrieb er, dass Apenburger Eltern ihre Kinder zum Betteln in umliegende Orte schickten. Das führte zu Nachforschungen durch das Königliche Konsistorium, in dessen Folge 1854 neben Friedrich Wilhelm Schermer ein zweiter Lehrer eingestellt wurde. Es handelte sich dabei um den 22 Jahre alten Lehrer Ernst Dörsing, der von 1885 bis 1909 Hauptlehrer der Apenburger Schule war.

Die Apenburger erzürnten sich wegen der obigen Aussagen mit ihrem Pfarrer und wollten kein Abendmahl mehr von ihm annehmen. Der Streit zog sich lange hin. Der damalige Ortsvorsteher Christoph Tegge bat 1868 in einem Brief an das Konsistorium um die Einsetzung eines anderen Pfarrers für das Abendmahl.

Ob auch die gerichtliche Klage gegen Dr. Stüber wegen anhängiger Schulden auf dieses Zerwürfnis zurückging, ist nicht bekannt. Schließlich blieb Pfarrer Dr. Stüber danach noch drei Jahre im Amt. Später erwähnte er in seinen Berichten keine Armen mehr.

Die Kirchenvisitationen enthielten z.T. sehr genaue Fragen. Aus ihnen und den Antworten lässt sich einiges über die gesellschaftlichen Zwänge der damaligen Zeit ableiten.

So wurde nach Kirchen- und Abendmahlverächtern gefragt, denn die galten als umstürzlerisch und gefährlich.

Fragen nach dem sittlichen Zustand der Gemeinde wurden mit Zahlen ehelicher und unehelicher Geburten beantwortet. ( z.B. 1849: 167 eheliche und 18 uneheliche Geburten in den letzten vier Jahren.)

Aufschlussreich ist auch der Umgang mit nicht mehr „jungfräulichen“ unverheirateten Frauen und Mädchen.

Zur Taufe unehelicher Kinder wurde nicht geläutet. Sogenannte „Deflorierte“ kamen beim Abendmahl zuletzt dran. Heirateten sie, so wurde nicht geläutet, nicht gesungen und keine Kerze angezündet. Diese Frauen durften auch keinen Brautkranz tragen.

Erst ab 1889 wurden uneheliche Kinder nicht mehr extra erfasst.

Weitere Nachfragen gab es zu Ausschweifungen im Trunke, Haus- und Felddiebstählen, der Führung der Kirchenbücher, der Spendenbereitschaft der Gemeinde (Klingelbeutel) usw.

1874 schrieb Pfarrer Christian Schmidt, der seit 1871 im Amt war, wieder über Armut und Bettelei.

Pfarrer Weber umging das Problem 1911 mit den Worten: „Arme gibt es nicht. Einzelne Familien nehmen sich abwechselnd der Kranken und der Bedürftigen an.“

Die alte Schule in der Vorderstraße.Interessant an seinem Bericht ist auch, dass die Recklinger Kirche 1885 erneuert wurde. Für Apenburg sei nach seinen Worten ebenfalls eine Erneuerung der Kirche geplant. Diese fiel dann wegen des 1. Weltkrieges aus. Allerdings schaffte man 1926 mit dem Neubau der Schule am Mühlenweg Platz für einen Kirchenum- bzw. Neubau. Pfarrer Weber schrieb 1911 auch über das „sehr schöne Pfarrhaus“, das 1910 errichtet worden war.

Aus den Berichten der Pfarrer erfahren wir auch etwas über die Anzahl der Wohnhäuser und die Einwohnerzahl, über Konfirmanden und vieles mehr.

So stellte Dr. Stüber 1850 fest, dass es in Gr. Apenburg drei Glocken gab. Das Geläut war aber nicht sehr wohltönend, weil die beiden größeren Glocken Gleichklang hatten. In Recklingen gab es zwei und in Klein Apenburg ebenfalls zwei Glocken. (Eine davon wurde nach den Aussagen älterer Klein Apenburger im 1. Weltkrieg requiriert.)

Seit dem 1. Weltkrieg nur noch eine Glocke!1922 schrieb Pastor Weber von der schönen neuen Orgel. Nach seinen Angaben reichen die Kirchenbücher bis 1640 zurück.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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