Günter
Schröder: Apenburger Kirchengeschichte – Apenburger Pfarrer (3)
Im dritten Abschnitt unserer Reihe wollen wir jetzt zu einzelnen
Pfarrern kommen, die in Apenburg tätig waren. Dr. phil. Carl Eduard Stüber
war von 1848 bis 1871 in Apenburg tätig. In dieser Zeit gab es so bedeutende
historische Ereignisse, wie die bürgerliche Revolution von 1848 und die Reichsgründung
unter Otto von Bismarck. In seine Amtszeit fiel auch eine größere Kirchenreparatur.
Darüber war in den Dokumenten aus der Kirchturmkugel zu lesen: Im Jahre
1850, am Freitage, den 22sten Februar, Nachmittags 2 Uhr, unmittelbar zuvor,
als eben Pastor Sadewasser von Neuendorf für den an Rheumatismus erkrankten
Ortsprediger Dr. Stüber zur Kirche gehen wollte, um drei Taufen zu verrichten,
stürzte der vom heftigen Winde von der Helmstange abgebrochene Thurmknopf
sammt der Windfahne, ohne größeren Schaden am Dache verursacht zu haben, auf
die Südseite des Kirchhofes nieder. Da Schwall und Ständer auf der Westseite
der Glockenetage des Thurmes verfault waren, und das bretterne Deckengewölbe
des Kirchenschiffes in einem sehr schlechten Zustande sich befand und das
Herabstürzen der Decke befürchtet werden musste, so wurde in der zweiten Hälfte
des Juli 1851 zur Reparatur sämtlicher Baulichkeiten geschritten, deren Kosten
nach dem Anschlag sich auf über 1300 Thlr belaufen, welche Summe von
den jetzigen Patronen aus einem wohlhabenden Kirchenrevier zur Verzinsung
und allmählichen Abtragung angewiesen war.
Den folgenden Text erhielten wir von Nachkommen
der Familie des Pfarrers. Therese Müller, geb. Hasse, begann in den 1930er Jahren
ihre Aufzeichnungen mit den Worten: Damit die Geschichte unserer Familie nicht
verloren geht, will ich für meine Enkel einiges daraus aufzeichnen.
Nun versuche ich - als ihre Enkelin - im Jahre 2000 die
zahlreichen Notizblätter mit Erinnerungen - damals auch
schon aus zweiter Hand - zu einem Text zusammenzufügen.
Im Jahr 1837 verlobte sich Therese Oepcke mit dem jungen
Pastor Carl Eduard Christian Stüber. Sie waren als Nachbarskinder in Magdeburg
am Breiten Weg aufgewachsen. Schon als Student hatte sich Carl in „Röschen"
Oepcke verliebt, welche er, wenn er am Haus vorbeiging, oft mit einer Stickerei
am Fenster sitzen sah. Carls Mutter Johanne Friederike Christiane, geb. Lübeck,
war bei seiner Geburt gestorben, sein Vater - Abraham Stüber, ein Möbelhändler
aus Magdeburg - heiratete nach wenigen Monaten eine junge Freundin seiner Frau.
Carl wuchs mit dem Halbbruder Wilhelm auf, der nur 11 Monate jünger war. Beide
besuchten das Gymnasium immer in der selben Klasse, beide studierten Theologie
und bekamen gleichzeitig eine Pfarre. Carl in Neuendorf in der Altmark, Wilhelm
an der Petrikirche in Magdeburg. Aus religiösen Zweifeln legte Wilhelm nach
einem Jahr sein Amt nieder, nahm die Stellung des Rektors an der Knabenschule
in Magdeburg an und wurde Kirchenherr am Dom. Er feierte 1888 hoch geehrt sein
50jähriges Jubiläum als Rektor. Sein Frau Julie, geb. Lübeck, war die Nichte
von Carls früh verstorbener Mutter.
Am 16. April 1838 heirateten Dr. Carl Stüber und Therese
Oepcke. Wilhelm Oepcke, der es als Getreidehändler zu Wohlstand gebracht hatte,
richtete seiner Tochter eine große glänzende Hochzeit aus, an der die zahlreiche
Magdeburger Verwandtschaft teilnahm. Dann fuhr das junge Paar nach Neuendorf,
der ersten Pfarrstelle des jungen Pastors. Hier besuchte Wilhelm Oepcke seine
Tochter und stellte mit Verwunderung fest, dass sein Schwiegersohn, der zur
Besorgung seines Sprengels auch über Land musste, weder Pferd noch Wagen hatte.
Kurz entschlossen schenkte er ihm sein Gespann und fuhr mit der Postkutsche
zurück nach Magdeburg.
In Neuendorf wurde am 26. März 1840 der erste Sohn Carl
Wilhelm Hilmar geboren. Carl Stüber soll ein fröhlicher geistreicher Herr gewesen
sein und seine Frau eine liebenswürdige Gastgeberin. Schon Ostern 1841 bekam
Pastor Stüber eine besser dotierte Pfarre in Kleinau in der Altmark, die er
sieben Jahre betreute. Hier kamen drei Töchter zur Welt: Hermine Therese *23.11.1841,
Dorothea Hulda * 23.5.1843, Bertha Mathilde Ottilie * 13.2.1845.
Erst Judica 1848 wurde Carl Stüber als Pastor in Groß-Apenburg
eingeführt. Als im September 1848 Wilhelm Oepcke starb und seinen Kindern ein
beträchtliches Vermögen hinterließ, da waren die Pastorsleute glänzend gestellt.
Zu dem geräumigen Pfarrhaus in Apenburg gehörte ein großer
Garten mit einer kleinen Brücke über das Flüsschen Purnitz. Hier verlebten die
Kinder eine schöne Jugend in ungebundener Freiheit. Im Garten unter dem großen
Nussbaum wurden im Sommer fröhliche Kaffeetafeln gehalten. In dem gastfreien
Haus fanden sich im Sommer zahlreiche Freunde aus Magdeburg ein. Auf einer Photographie
aus der Zeit sieht man vor der Vorderseite des Hauses die Großeltern Stüber
inmitten ihrer vier Töchter und Damen aus Magdeburg (Riekchen und Luise Wurzler,
Töchter aus erster Ehe des Weinhändlers Carl Wurzler aus
Magdeburg)
In Apenburg gesellten sich zu den Geschwistern noch Pauline,
* 9.7.1848 und die Söhne Richard * 3.2.1851 und Max * 25.5.1853.
Für die heranwachsenden Kinder wurde ein Hauslehrer (der
spätere Pastor Zirneman ?) und eine Gouvernante, Fräulein Teichmüller, angestellt,
damit die Kinder nicht von Zuhause fort brauchten. Den Religions- und Zeichenunterricht
gab der Vater Stüber selbst. Den Handarbeitsunterricht übernahm Riekchen Wurzler,
aus der Familie von Emilie Wurzler, geb. Oepcke aus Magdeburg, die in allen
feinen Stickereien eine Meisterin war. Carl - der Älteste - kam nach Magdeburg
zu seinem Onkel Holtzapfel, also in den Haushalt der Schwester Mathilde seiner
Mutter, um dort das Gymnasium zu besuchen. Ein Rätsel, das Pastor Stüber oft
stellte war: „Wer kommt mit den Schneeglocken und geht mit den Schneeflocken?",
war auf Riekchen gemünzt. Denn tatsächlich stellte sie sich im Vorfrühling bis
zum Winter als Gast ein, machte sich aber in jeder Weise nützlich und war den
Kindern oft ein lästiger Aufpasser. So erzählte mir später in Wilhelmshaven
der Admiral Walter Koch, Kommandant der „Preußen", dass er einmal, als
er zu Besuch im Apenburger Pfarrhaus war, mit den Vettern Stüber heimlich geraucht
hätte. Als sie die Schritte von Riekchen Wurzler hörten, hätten sie die Cigarren
schleunigst in den Ofen gesteckt und ganz harmlose Gesichter gemacht. Es hätte
sich aber ein verdächtiger Rauch im Zimmer bemerkbar gemacht und mit einem Male
sei Riekchen wie von einer Tarantel gestochen auf den Ofen zugelaufen und hätte
„Meine Würste, meine Würste" geschrien. In dem Ofen hatte sie einige Mettwürste,
um sie frisch zu halten, in Zeitungspapier gewickelt, aufbewahrt. Das Zeitungspapier
hatte durch die Cigarren Feuer gefangen. Die Würste konnten noch gerettet werden,
aber es hatte eine gehörige Strafpredigt gegeben! Nicht von der Hausfrau, sondern
von Riekchen Wurzler.
Als die Söhne das Gymnasium in Salzwedel besuchen mussten,
erhielten die Töchter weiter ausschließlich Unterricht bei Hauslehrern, der
Gouvernante und dem Vater. Später kamen sie für ein Jahr zu ihren Verwandten
(Holzapfels, Wurzlers) nach Magdeburg, Hier in der Stadt lernten sie gesellschaftliches
und verwandtschaftliches Leben kennen.
Natürlich war diese Haushaltsführung nicht durch das
Pastoren-Gehalt zu decken, sondern war nur möglich durch die Unterstützung
und das spätere Erbe von Thereses Vater Wilhelm Oepcke aus Magdeburg.
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