Rede von Rainer Klinzmann /Jugendweihe 2005 in Klötze

 

 

Liebe Mädchen und Jungen, liebe Jugendliche, liebe Eltern und Großeltern, liebe Verwandte und Freunde.

 

Meine Jugendweihe hatte ich schon im Frühjahr 1958 in Oebisfelde. Und trotzdem ist mir noch einiges in Erinnerung geblieben. Besonders „scharf“ war ich auf das damalige Jugendweihebuch „Weltall-Erde-Mensch“ – und das gab es nicht zu kaufen.

Vieles von dem, was da drin stand, war zu wissenschaftlich und ich verstand es erst später. Besonders das, was Prof. Robert Havemann über die Entwicklungsmöglichkeiten der menschlichen Gesellschaft schrieb.

Während meiner Studienzeit in Berlin lernte ich diesen Professor kennen. Seine Vorstellungen waren Illusion, waren Träume, die er nicht verwirklichen konnte.

Als Frau Hilbig mich fragte, ob ich die Jugendweiherede 2005 halten würde, sagte ich zu. Einige von Euch, liebe Mädchen und Jungen kenne ich, aber ich kenne auch viele Eltern und Großeltern, und das macht es mir leichter, zu Euch an diesem Tag zu sprechen.

Für Euch ist das ein toller Tag, und vor allem für Eure Eltern und Großeltern auch. Was soll man an diesem Tag zu Euch sagen, ohne Euch zu langweilen ?

Lange genug war ich Lehrer, zuerst in der Erweiterten Oberschule, die damals noch Karl Marx hieß und nach der Wende sich Gymnasium nannte. Ich lebe gerne in meiner Heimat und meine Vergleiche zu ihr werden immer umfangreicher und vielfältiger. Aber Weisheiten kann ich Euch nicht von hier vorn vermitteln, und das ist auch gut so. Wenn auch die Schule für Bildung und

Erziehung da ist, noch wichtiger ist Euer Elternhaus und sind Eure eigenen Erfahrungen, die dann später mal „Lebenserfahrungen“ genannt werden, und auch Glück gehört zum Leben !

Der Tag der Jugendweihe soll nun für Euch einen neuen Lebensabschnitt einläuten. Zunehmend entscheiden nicht mehr Mama und Papa über das, was Ihr meint, tun oder lasse zu müssen. Andererseits erwarten Sie wiederum von Euch Entscheidungen, die Ihr gar nicht alleine treffen wollt.

Ihr könnt nicht immer auf Verständnis hoffen, zu unterschiedlich sind die Lebensvorstellungen mit 14/15, mit 30 oder mit 60 Jahren. Das fängt z.B mit dem unterschiedlichen Musikgeschmack an, geht über das Aufräumen im Zimmer, den Hausaufgaben weiter bis zum Hobby. Bei Meinungsverschiedenheiten geht es nicht darum, wer Recht oder Unrecht hat. Es sind einfach für unterschiedliche Menschen verschiedene Sachen wichtig. Sonst wäre es auch zu eintönig auf dieser Welt.

Bedenkt, daß es auch für Eure Eltern heute nicht immer leicht ist, ihre eigene Sorgen zu bewältigen.

Achtung und Respekt vor dem anderen sind in jedem Alter wichtig. Die Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens sammeln, sind ein kostbares Gut, das wir haben. Und es ist vor allem auch ein Gut, daß uns niemand jemals

wegnehmen kann. Ein Gut das unbezahlbar ist.

Es wird noch viele wichtigen Tage in Eurem Leben geben. Ein solcher Tag ist heute, um zu fragen:

 

-         was will ich von meinem Leben ?

-         was will ich erreichen ?

-         wer ist mir lieb und wichtig ?

 

Für Eure Eltern, Großeltern und Geschwister ist dieser Tag sicher auch ein Anlaß zum Erinnern. Was ist aus den Zielen, Träumen, Wünschen von damals geworden ? Ein wichtiger  Lebensabschnitt ist jetzt für Euch, liebe Mädchen und Jungen erreicht, weitere werden folgen. Erwachsen werden ist auch überaus spannend !

 

Der Schriftsteller Erwin Strittmatter sagte:

„ Jeder Tag bringt Fragen und verlangt Antworten und solange wir Fragen und Antworten suchen, leben wir“. Wir sammeln alle diese wertvollen guten und schlechten Erfahrungen im Leben und müssen dann irgendwann bereit sein, Lehren daraus zu ziehen und uns auch manchmal ändern. Das Leben ist schön, es besteht aber auch immer aus ganz konkreten Problemen, z. B. aus Liebeskummer, Streß in der Schule. Manchmal scheinen die Probleme unlösbar, manchmal geht alles ganz leicht. Aber man kann und muß immer etwas tun.

Durch das eigene Tun und mit der Gemeinschaft, z.B. in einem Sportverein, kann man viel erreichen und verändern. Ich will Euch Mut machen, stets Eure Meinung zu sagen. Ja man braucht Mut, um etwas durchzusetzen, sich zu bekennen. Denn es ist keine perfekte Welt, die Euch erwartet. Auch heute noch und wahrscheinlich immer muß sie verändert werden, und Ihr müßt dabei helfen.

Im Alltag seine eigenen Ideale und Überzeugungen zu leben und einzufordern, ohne andere dabei zu schädigen und auszugrenzen – das ist Eure Freiheit !

Probleme des Alltags werden uns immer beschäftigen. Das Heute ist näher als das Morgen, und das Morgen will nichts vom Übermorgen wissen. Über die Gegenwart hinaus reicht oft nur die Sorge um das eigene Wohl und um die Laufbahn der eigenen Kinder. Der Mensch ist aber ein gesellschaftliches Wesen – ich hoffe und wünsche es Euch, bestimmt die Entwicklung der Gesellschaft mit !

 

Vielleicht lernt Ihr in der 9. Klasse folgendes Gedicht kennen:

 

    Zeitzeichen"

 

So kurz und knapp hätte es ausfallen können, was ich Euch, liebe Mädchen und Jungen in meiner heutigen Jugendweiherede vorgetragen habe.

 

Jede Gesellschaft, jede Kultur dieser Erde hat ihre Formen entwickelt, Mädchen wie Jungen in die Gesellschaft der Erwachsenen aufzunehmen. So steht es im Vorwort Eures Jugendweihebuches 2005.

„Der große Jugendweihe Almanach“, es ist ein spannendes Buch und besser als viele Filme.

 

Viel Erfolg durch das Lesen !

 

Und nun wünsche ich Euch und Ihnen liebe Eltern, Großeltern und Gäste, einen

wunderschönen Tag und für das weitere Leben viel Gesundheit und alles Gute !

 

Rainer Klinzmann

Hohentramm

Mai 2005