Die "verkehrte" Nesenitzer Feldsteinkirche

 von Roswitha Hickstein, Nesenitz im Juni 2002

Unser Dorf ist klein, so klein, daß wir es nur auf wenigen Landkarten verzeichnet finden. Doch so klein es auch ist, es birgt einen kostbaren Schatz, unser kleines Dorfkirchlein. Seit Jahrhunderten versammeln sich dort die Nesenitzer Christen zum gemeinsamen Hören auf Gottes Wort, zum gemeinsamen Gebet und zum gemeinsamen Lobpreis Gottes. Hier ließen und lassen sie ihre Kinder taufen, Ihre Ehen einsegnen und gedenken ihrer Entschlafenen in einem Trauergottesdienst. Um die Kirche herum erinnern Grabsteine an die Entschlafenen.

Ihre erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1489. Danach wurde sie in diesem Jahr durch den Bischof von Hildesheim geweiht. Das Weihkreuz in der Kirche könnte aus diesem Jahr stammen. Diese Urkunde darüber wurde 1605 im Altar gefunden.

Über den Bau der Kirche liegen keine genauen Berichte vor. Wie über ihr Schicksal im 30-jährigen Krieg, gibt es auch über ihre Entstehung zwei verschiedene Meinungen. Diese werden in Bezug auf die Kirche allerdings von Sachverständigen vertreten.

Die eine Meinung behauptet: Die Kirche sei ein gotischer Bau, der vermutlich in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden sei. Diese Meinung stützt sich wohl auf das alte, heute zugemauerte Portal mit seinem deutlich erkennbaren mit Backsteinen ausgeführten Spitzbogen.. Auch zwei Glocken und der Schnitzaltar stammen aus dem 16. Jahrhundert, genauer gesagt aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Auch der Taufstein dürfte aus dieser Zeit stammen. Das Hauptargument ist aber die zu Beginn erwähnte Urkunde.

Die andere Meinung vermutet bei dieser urkundlichen Erwähnung eine Neueinweihung nach einer Generalrenovierung, bei der die Glocken und der Schnitzaltar angeschafft, der Taufstein erneuert und die alte Tür durch das Portal ersetzt worden sei. Sie steht auf dem Standpunkt, daß die Kirche aus dem 13. Jahrhundert stamme. Sie stützt sich dabei auf die Bauart der Wände. Diese Art die Feldsteine zu vermauern gehöre dem 13. Jahrhundert an. Auch seien die heute vermauerten Fenster in der Ostgiebelseite eindeutig mit flachen Rundbögen gebaut worden, was auf die vorgotische Zeit schließen lasse. Auch sei das gotische Portal für die Wand zu groß, als das es das ursprüngliche gewesen sei. In der Zeit zwischen 1150 1300 sind in der Altmark etwa 400 Kirchen in diesem Stil gebaut worden.

Doch verlassen wir den Streit über die Entstehungszeit unserer Kirche. Unbestritten steht fest, daß unsere Kirche um 1500 dort stand wo sie heute steht. Sie war als Kapelle mit kleinen Fenstern gebaut worden und hatte keinen Turm. Es wird vermutet, daß das Dach am Ostgiebel vorgezogen war. Dort haben sich vermutlich die beiden Glocken freihängend befunden.

Wenn die Nachricht von dem Auffinden der Urkunde im Jahre 1605 den Tatsachen entspricht, dann muß in diesem Jahr eine Renovierung größeren Umfanges statt gefunden haben.

Bei unserer diesjährigen Renovierung wurde an der Ostgiebelwand die Jahreszahl 1688 frei gelegt. Auch sie könnte auf eine Renovierung hinweisen. Während dieser Renovierung könnte der Gedanke entstanden sein eine Empore einzubauen. Fest steht, daß im Jahre 1697 die Empore, die heute die Orgel trägt, eingebaut worden ist.

Anfang des 18. Jahrhunderts gaben sich die Nesenitzer nicht mehr mit Ihrer Kapelle zufrieden. Auch ihre Glocken sollten unter „Dach und Fach“. So wurde im Jahre 1716 das überhängende Dach bis an die Giebelwand abgeschnitten und der Fachwerkturm errichtet. Dabei unterlief den Nesenitzern ein kleines „Mißgeschick“ nach kirchenbaulichen Gesichtspunkten. Sie bauten den Turm an die „falsche“ Seite, denn während der Turm normalerweise im Westen der Kirche steht, steht er in Nesenitz im Osten. Dieses „Mißgeschick“ teilt unsere Kirche mit noch 6 anderen Kirchen in der Altmark.

Wann die Fenster vergrößert und die heutige Tür eingesetzt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Fest steht dagegen, daß die Kirche im Jahre 1890 das letzte Mal renoviert worden ist.

Da dies nun schon fast 100 Jahre her ist, wurde es Zeit für eine neue Renovierung, die nun glücklich hinter uns liegt. 

 Die Glocken von Nesenitz
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Nesenitz hatte vormals zwei Glocken, Die kleine Glocke stammt aus der Zeit um 1500. Genau kann dies nicht mehr datiert werden. Sie ruft uns mit eherner Stimme noch heute zu: „Vergeßt nicht das 1. Und 3. Gebot“. Sie wiegt 60 kg.

Die große Glocke wurde 1513 gegossen. Auf ihr stand die Inschrift: „Katharina will ick heeten, Heinrich Mente in Braunschweig tät mich geeten 1513“. Sie wurde 1860 abgenommen, nach Osterburg gebracht und dort umgegossen. Warum dies geschah, wissen wir nicht. Möglicherweise war sie gesprungen. Diese umgegossene Glocke sollte 1917 abgeliefert werden, um als Rohstoff für Kanonen zu dienen. Damals sagten die Alten: „Wenn se sich am Heiligtum vergriepen, dann hämse den Krieg verspölt“. Wie recht sie hatten wird auch in dem Schicksal dieser Glocke deutlich. Sie wurde zwar vom Turm abgenommen, aber es kam nicht mehr zum Abtransport. Sie war beim Abnehmen zerbrochen und die Trümmer lagen noch jahrelang bei der Kirche, bis sie weggeschafft wurden.

Möglicherweise bildeten die Trümmer dieser umgegossenen Glocke das Material einer 1924 neu angeschafften, großen Glocke. Sie trug die Inschrift: „1917-1924 Katharina  Ein feste Burg ist unser Gott“. Sie wog 105 kg. Aber die Nesenitzer konnten sich nicht allzulange an ihrem Klang erfreuen. Im zweiten Weltkrieg mußte sie abgeliefert werden. Auch wenn sie zu Kanonen umgegossen wurde, traf auch diesmal wieder das Wort der Alten von 1917 zu. Das Jahr der Abgabe konnte nicht festgestellt werden.

Der Dienst der beiden Glocken von Nesenitz war folgendermaßen geregelt: Beide Glocken werden gemeinsam geläutet. Die Ausnahme von dieser Regelwaren: 1. Zu Beginn einer Beerdigung wurde  nur die große Glocke geläutet. 2. Ebenso zeigte nur die große Glocke durch dreimaliges Anschlagen beim Zuläuten den Beginn des Gottesdienstes an.

Heute muß nun die kleine Glocke, die ja auch die älteste von allen ist, den gesamten Dienst allein tun.

 

Beschreibung des Flügelaltars in der Kirche
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„Der Flügelaltar entstand um 1500. Der Schrein 114,5 cm hoch und 113,5 cm breit. Die Flügel sind 57 cm hoch und 56,5 cm breit. Der Altar ist schon einmal restauriert worden. Die Predella  ist neu. Der Schrein ist in drei Felder längsgeteilt, die Seitenfelder sind quergeteilt. In dem allzu breiten, nicht ausgefüllten Mittelfelde die Madonna auf einer aufwärts gekehrten Mondsichel, die das Gesicht nach unten hat, vor einer geschnitzten Strahlenmandorla, deren Strahlen abwechselnd gerade und geflammt sind. Maria hält in der Linken das Jesuskind, welches einen Apfel im linken Händchen hat und die Rechte lehrend erhebt, in der Rechten ein (ergänztes) Zepter. Ihre Krone mit hohen Kreuzblumen.

In den schmalen Seitenfeldern links oben Katharina, unten Anna selbdritt, in der Linken die Maria, in der Rechten das Christkind. Rechts oben Margaretha, den Drachen links zu ihren Füßen. Unten Nikolaus im Bischofsgewand, die drei Kugeln in der Rechten.

In den Flügeln, welche ebenfalls quergeteilt sind, die 12 Apostel, je 3 in einem Feld.

Ornament: Über jeder Figur ein mit Fischblasenmustern gefüllter Spitzbogen. Über dem Mittelfelde drei Bögen, davon der mittlere am breitesten. Tiefe hart geknickte Falten, zu große Köpfe, die dicht auf dem Rumpf sitzen.“

 

Zitiert aus: Vierzigster Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel. Seite 66
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aus der Chronik des Dorfes Nesenitz
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